Sinnkrise

Eigentlich hatte ich schon früher einen neuen Blogpost verfassen wollen, doch dann kam es zu einem Zwischenfall, der mich dazu gebracht hat, mich noch weiter in mein Schneckenhaus zu verziehen.
Schon vor einigen Jahren hatte der sogenannte Platzhalter-Skandal die Self-Publisher-Szene erschüttert. Es ging damals um eine Autorin, die auf ziemlich dreiste Art aus den Texten einer anderen, sehr erfolgreichen, Autorin kopiert und in ihr Buch eingefügt hatte. Das Buch wurde zum Erfolg und dann kam es, wie es kommen musste, jemand erinnerte sich an das andere Buch und die plagiierten Textstellen fielen auf. Die Ausrede, sie hätte es als Platzhalter genutzt und vergessen, die Stellen umzuschreiben, war mehr als weit hergeholt und ich glaube bis heute nicht daran, dass es ein Versehen war. Ein Aufschrei ging damals durch die Bücherlandschaft und mit einem Schlag schauten sie alle wieder auf die Indie-Autoren herab. Alles, was gute Indie-Autoren aufgebaut hatten, geriet in Vergessenheit und der Argwohn, dass das wohl nur Leute sein konnten, deren Manuskripte einfach zu schlecht waren, um veröffentlicht werden zu können, war wieder da.

Doch wie bei jedem anderen Skandal, wuchs auch hier das Gras wieder über die Sache und keiner dachte mehr daran. Tja, bis der nächste Skandal kam und dieses Mal gleich eine Spur heftiger.
Dieses Mal handelte es sich nicht mehr um kopierte Textstellen, sondern um ganze Romanhefte, die abgeschrieben und als eigene Werke herausgebracht wurden. Die hervorgebrachten Erklärungen klangen erstaunlicherweise einigermaßen glaubwürdig, jedenfalls solange es sich nur um ein Buch handelte. Doch innerhalb kürzester Zeit waren aus einem Buch drei abgeschriebene geworden und die Autorin hat die Werke aus dem Verkauf genommen. Weitere sechs Bücher sind bei Amazon verschwunden, auch wenn ich hierzu noch nicht gelesen habe, dass diese ebenfalls abgeschrieben worden sind. Unter dem Hashtag #ichbinmeinegeschichte haben sich andere Autoren zigfach von ihrer Erklärung distanziert und hoffentlich ihren Lesern verständlich machen können, das nicht alle über einen Kamm zu scheren sind.

Kaum hatte man das verkraftet, kam nach wenigen Tagen die nächste Meldung, dass eine weitere Autorin plagiiert hatte. Dieses Mal einen Manga, der pikanterweise, im gleichen Verlag wie einige Werke der Autorin, erschienen war. Ich habe mittlerweile den Überblick verloren, da es mich einfach nur deprimiert, aber ich glaube, auch hier sind es bereits drei Werke, die wenn vielleicht nicht komplett abgeschrieben, dennoch nicht auf eigenständigen Geschichten und Ideen der Autorin basieren.
Diese Vorkommnisse haben mich lange nachdenken und wirklich daran zweifeln lassen, ob ich weiterschreiben soll. Ich weiß nicht, welche Beweggründe die Autorinnen dazu gebracht haben, fremde Werke als eigene auszugeben - Abgabedruck, der Wunsch nach Erfolg und Anerkennung? Ich weiß es nicht, aber es macht mich traurig zu sehen, dass es vielen Lesern anscheinend egal ist und die Werke der Damen, die noch im Handel erhältlich sind, sich weiterhin gut verkaufen. Auf der Facebookseite einer der Autorinnen gab es sogar Leser, die tatsächlich geschrieben haben, dass das doch alles nicht so schlimm sei und jeder einmal Fehler machte. Da wurde mir ziemlich anders zumute und ich fragte mich, in welcher Welt wir leben. Da hat eine Autorin gestanden, dass sie Bücher anderer als ihre eigenen Werke ausgegeben hat und die Leser verzeihen ihr das, ohne es zu hinterfragen? Hallo? Sie hat nicht falsch geparkt oder versehentlich ein Buch zu spät in der Bücherei zurückgegeben. Das sind Fehler, die man vergeben kann, aber doch nicht das Abschreiben von fremden Texten. Hier geht um Betrug und zwar am Leser!
Als ich das gelesen habe, habe ich mich gefragt, ob es den Lesern wirklich egal ist, Hauptsache, sie bekommen eine gute Geschichte geliefert? Warum setze ich mich also hin und denke mir eine eigene Geschichte aus, schreibe monatelang daran und versuche meinen Charakteren Leben einzuhauchen, wenn es doch eigentlich ausreichen würde, etwas bereits Dagewesenes für meine Zwecke umzuarbeiten? Immerhin sind die anderen damit ja ziemlich erfolgreich gewesen. Warum also sollte ich mich weiter anstrengen?

Es hat einiges an Nachdenken gebraucht, bis ich die Antwort darauf gefunden habe und sie ist eigentlich ziemlich einfach: Ich lasse den Druck nicht zu. Ich bin in der überaus glücklichen Lage, nicht darauf angewiesen zu sein, mit meinen Büchern meinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Ich habe einen Vollzeitjob, mit dem ich über die Runden komme. Ich würde ihn vermutlich auch nicht aufgeben, wenn ich komplett unabhängig wäre. Ich mag zwar oft über meinen Fahrtweg und die ständigen Staus meckern, aber so komme ich wenigstens ab und an unter Leute. Und ich habe tolle Kollegen, die ich nicht missen mag.

Mein nächstes Buch muss kein Bestseller werden und ich muss nicht im Rampenlicht stehen. Natürlich hofft man das immer, wer etwas anderes behauptet, sagt nicht die Wahrheit und sollte es passieren, dann freue ich mich, aber setze nicht Himmel und Hölle in Bewegung, dass es so bleibt. Ich gebe zu, dass auch ich ständig auf der Suche bin, meinen Output zu vergrößern, und bemühe, mich zu verbessern, aber ich möchte keine Maschine werden, sondern weiterhin meinen Spaß dabei haben. Ich schreibe, weil mein Kopf voller Geschichten ist und ich diese erzählen will und wenn es ein Jahr braucht, bis das nächste Buch erscheint. Dann ist es so, auch wenn jedes Buch zum Selbstmarketing von Autoren zu etwas anderem rät. Ich will meine Leser unterhalten, vielleicht verliere ich einige auf dem Weg zum nächsten Buch, aber das nehme ich eher in Kauf, als dass ich mir den Druck mache, ständig etwas Neues liefern zu müssen. Ich nehme das Schreiben durchaus und sehe es auch als zweiten Job an, aber es darf niemals so weit kommen, dass ich irgendwann nicht mehr weiter weiß und so etwas Unverzeihliches tue und bei anderen klaue. Ich glaube, dann würde ich lieber aufhören und wehmütig an die Zeiten denken, in denen ich noch Ideen hatte. Doch derzeit besteht keinerlei Gefahr. Mein Notizbuch ist voll mit den unterschiedlichsten Ideen für neue Geschichten. Geschichten, die ich alle noch schreiben möchte und hoffentlich auch werde.

Ach und noch etwas, nur weil es Menschen gibt, die anscheinend skrupellos sind und alles für den Erfolg tun, heißt das nicht, dass alle anderen auch so sind. Ich kenne eine Menge toller Autorinnen und Autoren, die ebenso viel Herzblut in ihre Romane stecken wie ich. Sie sind genauso schockiert über die Ereignisse der letzten Woche und haben das, wie oben erwähnt mit #ichbinmeinegeschichte deutlich zum Ausdruck gemacht.

Übrigens ist das Plagiieren von bekannten Ideen und Geschichten kein Phänomen unserer Zeit, denn auch Shakespeares Romeo und Julia weist eine verblüffende Ähnlichkeit mit Ovids Geschichte Pyramus und Thisbe auf. Und nicht nur das, in seinem Sommernachtstraum bringt die Story erneut unter und parodiert sie auch noch. Das nenne ich dann richtig dreist:-)

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