Wie ich auszog, die Welt zu erkunden

Wer wie ich Bücher schreibt, dem erzähle ich vermutlich nichts Neues, dass es neben einem spannenden Plot und glaubwürdigen Protagonisten noch etwas anderes gibt, dass zu einem guten Roman gehört.
Was das ist? Das Setting! Ein gutes Setting, das auf den Leser so authentisch wirkt, als habe der Autor jeden Winkel seines Handlungsorts besucht, ist mehr wert als manch einer glauben mag. Dabei ist es unwichtig, ob die Geschichte in der Gegenwart oder, wie zum großen Teil in meinen Romanen, in der Vergangenheit spielt. Wichtig ist, dass man dem Leser glaubhaft vermitteln kann, dass man sich mit dem Ort, den man als Autor in seinem Buch beschreibt, vorstellen kann. 
Gut, man könnte nun hingehen und die eigene Stadt als Handlungsort festlegen. Lebt man in Hamburg, Berlin oder New York oder einer anderen x-beliebigen Großstadt, dann kann das ziemlich von Vorteil sein, denn dann kennt man die Stadt und weiß wovon man berichtet. Man kennt die schönen und die weniger schönen Ecken, weiß wo man seine Protagonisten leben lassen kann und so weiter. Selbstverständlich funktioniert das auch mit anderen Städten, in denen man lebt. 
Aber was ist, wenn man in einem kleinen Dorf lebt und das sich nun einmal nicht für die Geschichte des jungen Mädchens eignet, das aus der Enge des Elternhauses ausbrechen will, um in der großen Stadt zu lernen, auf eigenen Füßen zu stehen? Was macht man dann? Umschreiben? Wohl eher nicht. Da bleibt dann wohl nur noch intensive Recherche übrig. Direkt vor Ort wäre wünschenswert, aber nicht jeder hat Zeit und Mittel eine Reise ins weit entfernte New York zu unternehmen, um vor Ort in Erfahrung zu bringen, auf welchen Straßen der Held und die Heldin spazieren. In Zeiten, in denen es einem Karl May noch möglich war, Western zu schreiben, ohne jemals einen Fuß auf amerikanischen Boden zu setzen, sind vorbei. Wir leben in einer Welt, in der es selbstverständlich geworden ist, sich in ein Flugzeug zu setzen und zu den entferntesten Winkeln der Erde zu fliegen. Sich einfach etwas ausdenken und hoffen, dass es den Lesern nicht auffällt, sind vorbei. Allerdings leben wir in einer Zeit, in der es die wundervolle Erfindung Internet gibt. Nur ein paar Suchbegriffe eingeben und schon hat man alles, was man braucht. 
Wirklich alles? Street View und Google Earth erleichtern einem vieles und ich kann jedem, der vorhat ein Buch zu schreiben, das in einer ihm unbekannten Stadt liegt, sich intensiv mit diesen Seiten zu beschäftigen. Es ist die beste Möglichkeit in den Ort einzutauchen und ihn kennenzulernen. 
Aber ein Setting ist viel mehr als die Beschreibung eines Orts! Wer daran interessiert ist, einen Roman zu schreiben, der sollte auch in Erfahrung bringen, welche Zeitungen in dieser Stadt erscheinen, wie die Sportteams heißen, welche lokale Spezialitäten es gibt und so weiter und so weiter. Fragt eure Facebookfreunde oder Arbeitskollegen, ob sie nicht schon einmal in der Stadt waren, in der euer Buch spielen soll. Es ist manchmal erstaunlich, was dabei zutage kommen kann. Wer diese Möglichkeit nicht hat, der kann natürlich aufs Internet zugreifen, eine gute Quelle sind übrigens auch Reiseführer. 

Und dann gibt es da noch etwas, das mir persönlich sehr am Herzen liegt. Bitte begeht nicht den Fehler zu glauben, dass es etwas, nur weil es das bei uns gibt auch anderswo so gibt. Wer zum Beispiel einen Weihnachtsroman schreibt, der in den USA spielt, sollte bitte Dinge wie Adventskalender, Adventskränze und Weihnachtsmärkte mit Glühwein weglassen. Denn das sind unsere Weihnachtstraditionen und auch wenn man inzwischen in dem ein oder anderen Supermarkt in den USA Adventskalender kaufen kann, sind sie bei weitem nicht so weit verbreitet, wie bei uns. Wer übrigens glaubt, dass ich mir das aus den Fingern sauge, der irrt. Ich habe einen Roman gelesen, in denen all das oben erwähnte vorkommt und war von einer deutschen Autorin.

Und zum Schluss eine kurze Zusammenfassung, was man tun sollte, damit man ein glaubhaftes Setting erhält:
  • Besuche den Handlungsort, soweit du die Möglichkeit dazu hast
  • Surfe auf Google Earth und tauche in die Welt von Street View ein
  • Lasse Wikipedia zur Startseite deines Browers werden
  • Lese Reiseführer, dieser Rat gilt übrigens im Besonderen, wenn du planst einen historischen Roman zu schreiben, der in der neueren Zeit spielt. Google Books bietet eine Fülle von Schätzen und es gibt Dutzende von historischen Reiseführern, die Hotels und Restaurants nach Klassen auflisten, dir verraten können, wo man Spaziergänge machen kann und was man sich unbedingt ansehen muss
  • Sollte dein Setting in vergangenen Zeiten spielen, besorge dir alte Straßenkarten, durchforste das Netz nach alten Bildern oder Gemälden ab. Eine gute Quelle für Bilder ist übrigens Pinterest. Es gibt unzählige Blogger oder auch Autoren, die sich mit genau deinem Thema befassen und dazu Pinwände mit Artikeln und Fotos erstellt haben 
  • Für historische Romane gilt übrigens im Besonderen, sich mit der Etikette jener Zeit vertraut zu machen, die Speisen und ihre Darreichung in Erfahrung zu bringen und natürlich auch, wie man sich gekleidet hat und welche Frisuren en Vogue waren. 
  • Lerne den Ort kennen: Wie heißen die großen Sportvereine, welche Tageszeitungen gibt, was sind die wichtigsten Feste im Jahr, wo kann man eine schöne Zeit im Freien verbringen etc. 
  • Wenn deine Geschichte im Ausland spielt, bedenke, dass es kulturelle Unterschiede gibt. Das können die unterschiedlichen Essenszeiten sein, oder aber auch, wie Verabredungen ablaufen. 
Ich glaube, ihr wisst, was ich meine. Macht euch euer Setting zu eurem zweiten Zuhause, solange ihr an eurem Roman schreibt. Glaubt mir, es lohnt sich viel Zeit und Energie in die Recherche zu stecken! Eure Leser werden es euch danken. Allerdings bedenkt bitte, dass ihr bei den Beschreibungen nicht wie ein Wikipedia-Artikel daher kommen sollt, sondern immer mal wieder etwas einfließen lassen solltet. Zu viel des Guten und die Leser sind genervt. Es gilt also eine feine Balance zu finden, die die Geschichte lebendig macht, ohne allzu aufdringlich zu erscheinen.

Ach, und noch etwas: Prüft eure Quellen! Findet ihr für eine Kuriosität oder Begebenheit zwei unterschiedliche Quellen, die nicht in direkter Verbindung zueinander stehen, so könnt ihr relativ sicher sein, dass ihr keinen groben Schnitzer macht. 

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